Es war die grosse Diskussion in der Schweizer Politik nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga im vergangenen Herbst: Für die SP-Parteileitung war klar, dass eine Frau Sommaruga im Bundesrat ersetzen soll. Im Sinne der Gleichstellungspolitik der Partei sollte neben dem zweiten SP-Bundesrat Alain Berset zwingend eine Geschlechtsgenossin den Platz von Sommaruga einnehmen.
Das sorgte aber für Widerstand – insbesondere Daniel Jositsch, langjähriger Zürcher Ständerat und Aushängeschild des liberalen SP-Flügels, konnte dem voreiligen Beschluss, Männerkandidaturen nicht zuzulassen, wenig abgewinnen. Auch aufgrund seiner eigenen Ambitionen bezeichnete er den vorzeitigen Ausschluss als «diskriminierend». Die Unterstützung innerhalb seiner Partei hielt sich in Grenzen, allerdings äusserten einige SP-Nationalrätinnen Verständnis für ihren Parteikollegen.
Jositsch akzeptierte letzten Endes das beschlossene Frauenticket, ohne weiter zu murren und blieb bei den Wahlen trotz bürgerlicher Proteststimmen chancenlos – in den Bundesrat gewählt wurde schliesslich die Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider.
Nun hat Gesundheitsminister Alain Berset den Rücktritt erklärt – und die Geschlechterfrage ist schon wieder Thema bei der SP. Grund dafür ist Tamara Funiciello, seit Jahren Vorkämpferin für Gleichberechtigung und Frauenrechte und einer der Köpfe des Feminismus im Land. Für die Berner Nationalrätin und ehemalige Juso-Präsidentin gilt:
Entscheidend sei, dass die fähigste Person gewählt werde, sagt sie der «SonntagsZeitung». Und präzisiert:
Funiciello erklärt zudem, dass sie sich selbst durchaus auch als potenzielle Kandidatin betrachtet:
Es sei eine Tür, die nicht oft aufgehe und die sie auf jeden Fall über den Sommer prüfen werde.
Die SP verfolgt seit Jahren den Grundsatz, dass jeweils eine Frau und ein Mann in der Landesregierung vertreten sein sollen, auch bei den Sprachregionen achtet die Partei auf Diversität und Gerechtigkeit wie keine andere.
Deshalb stossen Funiciellos Äusserungen nun keineswegs nur auf Zustimmung: Die Solothurner Nationalrätin Franziska Roth beispielsweise – die sich im Herbst schon dafür ausgesprochen hatte, auch Männerkandidaturen zu prüfen – sagt klar:
Die SP sei in der Vergangenheit mit ihrer Strategie gut gefahren, das sei «gelebte Gleichstellung», so Roth. Dennoch steht die Solothurnerin auch zu ihren Aussagen vom November 2022: Alle Kandidaturen sollen geprüft werden. Gebe es aber gleichwertige Dossiers, sollte die SP einen Mann bevorzugen, so Roth.
Diplomatisch äussert sich Daniel Jositsch, der nun ebenfalls wieder Interesse an einer Kandidatur bekundet. Er gehe davon aus, dass «dieses Mal kein Geschlecht im Vorhinein ausgeschlossen» werde, erklärt er gegenüber der «SonntagsZeitung». Das würde auch seiner Sicht der Dinge entsprechen.
Die SP-Parteileitung hat sich derweil noch nicht festgelegt. Während sie bei der Sommaruga-Ersatzwahl die Debatte mit dem vorzeitigen Ausschluss von Männerkandidaturen überhaupt erst anheizte, sagt Co-Präsident Cédric Wermuth nun gegenüber der «SonntagsZeitung»:
Auch wenn Wermuth mit diesem Vorgehen eine vergleichbar intensive Geschlechterdebatte wie bei der Sommaruga-Nachfolge vorerst verhindert – dass die SP bei der Aufstellung ihrer Bundesratskandidierenden erneut über Geschlechter diskutiert, scheint unausweichlich.
Lustig, dass die selbe SP-Politikerin das beim letzten Mal noch ganz anders sah und männliche Kandidaten auschliessen wollte.
Das kann ja dan heiter werden, wenn Funiciello sich dann auch gleich noch selbst als potentielle Bundesratskandidatin und damit "fähigste Person" für den Posten sieht!